Über 1,3 Millionen Tonnen Wein hat Deutschland 2022 importiert. Mehr als ein Drittel - 500.000 Tonnen - kam aus Italien. Damit ist das Land des Brunello und Barolo der wichtigste Weinlieferant der Deutschen.
Die italienischen Winzer verdienen dabei prächtig! Sie setzen hierzulande Jahr für Jahr etwa eine Milliarde Euro um. Und hoffen auf mehr. Denn Bier, das Lieblingsgetränk der Deutschen, verliert Marktanteile. Während Wein und Sekt zulegen können. Eine historische Chance! Der Pro-Kopf-Konsum liegt inzwischen bei über 23 Liter Wein pro Jahr. Der deutsche Markt steht damit an vierter Stelle der weltweit größten Verbrauchermärkte für Wein, die von den USA angeführt werden.
Das sind mächtige Zahlen ... die Begehrlichkeiten wecken. Die italienischen Weinerzeuger kämpfen in Deutschland denn auch erbittert um jeden Prozentsatz Marktanteil. Der Turiner Sandro Sartor, Präsident and CEO von Ruffino, räumt - wie viele seiner Mitbewerber - dem deutschen Markt „oberste Priorität“ ein. „Wir verfolgen das strategische Ziel, die Marke Ruffino in diesem wichtigen Markt weiter aufzubauen. Indem wir unsere traditionellen Werte nutzen: die italienischen Wurzeln, die Geselligkeit, die Lebensfreude und die Lust auf Erneuerung“.
Acht Weine aus der Toskana unter den zehn populärsten in Italien
Die Chancen, das Ziel zu erreichen, stehen für die Kellerei Ruffino nicht schlecht – denn es produziert hauptsächlich toskanischen Wein. Und dieser ist sowohl in Deutschland als auch weltweit begehrt wie nie zuvor. Der Wine-Searcher, mit 75 Millionen Aufrufen pro Jahr die wichtigste Wein-Datenbank der Welt, führt auf der Liste der „World's Most Wanted Italian Wines“ sieben (!) Super-Toskaner und ein Montalcino unter den ersten 10. Die restlichen zwei Plätze belegen Weine aus dem Piemont.
Die Statistik belegt aber auch, dass die Konkurrenz in der Toskana immens ist. Ruffino tritt gegen große Mitspieler an. Allen voran Marchesi Antinori. Die berühmte italienische Adelsfamilie mit ihrer futuristischen Kellerei an der Autobahn zwischen Florenz und Siena ist auf dem deutschen Weinmarkt allgegenwärtig. Ihre Signature-Weine Tignanello und Solaia zählen zu den toskanischen Legenden.
Und dann ist da auch noch Frescobaldi mit seinem begehrten Sammlerstück, dem wuchtig-warmen Ornellaia, und nicht zuletzt Marchesi Incisa della Rocchetta, dem Schöpfer des Sassicaia, dem Vater aller Super-Toskaner. Diese Weine haben Antinori, Frescobaldi und Incisa zu den profitabelsten Weingütern der Toskana gemacht - mit astronomischen Renditen von bis zu 63 Prozent.
Ruffino stellt Vertrieb in Deutschland auf neue Beine
Bei so viel Konkurrenz kann einem schwindlig werden. Zumal Ruffino noch den Corona-Schock verdauen muss. Die Pandemie traf das Unternehmen, das seit zwölf Jahren zur US-Gruppe ‚Constellation Brands‘ gehört, mit voller Wucht. 2020 sank der Umsatz um 20 Prozent. Ruffino konnte in dieser Zeit seine Produkte nur schwer an den Mann bzw. Frau bringen, da das Unternehmen traditionell stark abhängig vom sogenannten Horeca-Vertriebskanal ist. In den Hotels, Restaurants und Cafes lief aber während der Pandemie bekanntlich so gut wie gar nichts.
Hinzu kommen strukturelle Veränderungen in Deutschland. Ruffino trennte sich 2019 vom Hamburger Distributor CWD, der fünf Jahre lang die Weine der Kellerei exklusiv importierte. Seitdem arbeitet Verkaufsleiter Franco Apel, der in der Branche bestens vernetzt ist, intensiv am Aufbau einer eigenen Vertriebsstruktur, die – so die Pressemeldung - auf ein „direktes Beziehungs- und Kundenmanagement sowie spezialisierte Partner setzt“. Auf einem Markt, der zum Teil aus jahrzehntealten Seilschaften besteht, keine leichte Aufgabe.
Franco Apel hat aber gute Argumente in der Hand. Diese Argumete sind die Weine von Ruffino, die den Vergleich mit den toskanischen Mitbewerbern nicht scheuen müssen. Dazu gehört unter anderen der Riserva Ducale Oro Gran Selezione, der auf den besten Lagen in Castellina reift und zu den großen Vertretern des Chianti Classico zählt. Außerdem der Super-Toskaner Modus Primo IGT. Der Jahrgang 2019 wurde von den Experten des Fallstaff mit 92 Punkten bewertet. Auf der Besten-Liste von Gourmet Globe steht auch der Brunello di Montalcino DOCG von Greppone Mazzi und der Romitorio di Santedame, der neben dem Sangiovese mit einem kleinen Anteil Colorino, einer uralten toskanischen Rebsorte, gekeltert wird.
Ruffino expandiert ... mitten in das Herz der Konkurrenz
Ein weiteres Argument ist die „Lust auf Erneuerung“, die CEO Sandro Sartor so leidenschaftlich beschwört. Diese Erneuerung wird in einer hauseigenen Präsentation „das neue Ruffino“ genannt. 2023 soll dabei als das "Jahr Null" in die Geschichte des Unternehmens eingehen. Die Marke soll neu positioniert werden. Eines der Elemente ist die konsequente ökologische Ausrichtung der unternehmenseigenen Weingüter. Bis 2025 sollen alle Rebflächen der Kellerei eine Bio-Zertifizierung erhalten und bis 2030 – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Klimawandels - wasserneutral bewirtschaftet werden können.
Ein weiteres, vielleicht das wichtigste Element dieser strategischen Neuausrichtung ist die Expansion an die livornesische Küste, in das Bolgheri. Mitten in das Herz der Konkurrenz! Es ist die Heimat der toskanischen Rockstars Ornellaia und Sassicaia. Dort hat Ruffino zwei Weinberge erworben! Und dort soll eine State-of-the-Art-Kellerei mit Besucherzentrum entstehen. Ruffino schließt damit eine wichtige Lücke im Portfolio. Bolgheri ... das ist die Avantgarde der Toskana. Ein Muss für ambitionierte Weinproduzenten!
Der Name des neuen Weinguts steht noch nicht fest. Fest steht aber, wer es leiten wird: niemand Geringeres als Olga Fusari (40). Die gebürtige Toskanerin ist 18 Jahre lang bei Ornellaia gewesen, zuletzt als Chefönologin. Sie kennt sich in der Gegend also gut aus! Sie soll auf den 15 Hektar großen Rebflächen, die Ruffino gekauft hat, einen Bolgheri Superiore, einen Bolgheri Rosso und einen weißen Bolgheri keltern. Die ersten Weine sollen bereits das Jahr 2023 auf dem Etikett tragen und werden voraussichtlich 2025 lanciert.