Vor etwa 500.000 Jahren hörten die Steinzeitmenschen in der heutigen Toskana ein tiefes Grollen. Urplötzlich tat sich die Erde auf und ein mächtiger Vulkan brach aus. Wälder gingen in Flammen auf, die Landschaft wurde von Vulkan-Asche begraben, bis nur noch eine steinige, staubige Einöde zurückblieb. Heute ist diese Landschaft ein Paradies. Und in seinem Herzen liegt die "Posta Marcucci".
Wie ein unverrückbares Monument steht er friedlich da - der Monte Amiata. 1.738 Meter hoch, mitten in der südlichen Toskana gelegen, keine 50 Kilometer Luftlinie von Siena entfernt. Wind und Wetter formten in den letzten Jahrtausenden aus seinen Auswürfen eine weiche Hügellandschaft, mit dichten Laubwäldern, kleinen Flüssen und heißen Quellen. Schon die Etrusker, später die Römer und schließlich Mönche, Bauern und Handwerker besiedelten dieses fruchtbare Land.
Sie schufen eine Kulturlandschaft, die die Maler der Renaissance magisch anzog. Eine Landschaft, die das Gefühl von Weite und Einsamkeit verstärkt. Vor allem das Val d`Orcia hatte es Ihnen angetan. Ein weites Flusstal mit Olivenhainen, Weingärten, wogenden Weizenfeldern, einsamen Gehöften und mittelalterlichen Festungsdörfern. Die Namen seiner Orte sind heute weltbekannt: Castiglion d'Orcia, Montalcino, Pienza, Radicofani oder San Quirico d'Orcia. Seit 2004 gehört das Val d`Orcia zum UNESCO Weltkulturerbe.
Für den Südtiroler Michil Costa aus Corvara im Alta Badia, Besitzer der Luxusherberge „La Perla“, das zu den „Leading Hotels of the World“ gehört, hat diese Landschaft etwas Ewiges an sich. „Als ob die Zeit den Atem angehalten hätte.“ Und der Zufall wollte es, dass in Bagno Vignoni, einem Ortsteil der Gemeinde San Quirico d`Orcia, ein Hotel zum Verkauf stand. Er überlegte nicht lange und unterschrieb vor zwei Jahren den Kaufvertrag für die „Posta Marcucci“. Vieles hat er so belassen, wie es war - das alte Mobiliar im Salon, die alten Gemälde und Fotografien aus der Zeit der Gründerfamilie. „Es wird aber auch weitergesponnen – mit Freude, mit Taktgefühl, mit bewusster Schlichtheit und neuer Energie“.
Im 19. Jahrhundert stand anstelle der Posta Marcucci ein kleines Gasthaus mit angeschlossenen Lebensmittelladen und Poststelle. Mitte der 50er Jahre wurde es von der Familie Marcucci zum Hotel umgebaut. Wenige Jahre später kamen noch zwei große Thermalbecken dazu. Dank des Monte Amiata sprudelt 49 Grad heißes, mineralreiches Thermalwasser in die Becken. Vom Garten des Hotels und den beiden großen Pools aus hat der Gast einen herrlichen Blick auf das Val d`Orcia und die Festung „Rocca di Tentennano“.
Schon die Etrusker und Römer schätzten die heilende Wirkung des Wassers. In Bagno Vignoni sucht man heute vergeblich eine Piazza wie sie in fast jedem Ort Italiens üblich ist. Stattdessen findet man ein 50 x 20 Meter großes steinumschlagenes Thermal-Becken, umgeben von prächtigen Renaissance-Gebäuden. Die Medici aus Florenz hatten sich hier an der heißen Quelle ihren ganz privaten SPA gebaut. Dort soll auch Papst Pius II. seinen apostolischen Körper hin und wieder entspannt haben.
Unterhalb des Ortes, in so genannten Sinterbecken, Vertiefungen, die die Natur geschaffen hat, badete das gemeine Volk. Vor allem Pilger und Kaufleute, die auf dem Weg nach Rom, in die „Heilige Stadt“, waren, machten hier Pause und schwammen in dem schwefelhaltigen, warmen Wasser. Die berühmte Via Francigena, der Frankenweg, der im Mittelalter Canterbury mit Rom verband, führt durch das Tal.
Heute sind es vor allem Touristen, die Bagno Vignoni mit seinen gerade mal 50 Einwohnern bevölkern. Im großen antiken Thermalbecken herrscht allerdings Badeverbot. Wer ins warme Wasser möchte, geht - zum Beispiel - in die „Posta Marcucci“. Pio Planatscher, wie sein Chef ein gebürtiger Südtiroler, führt das Hotel. Er stammt aus dem Pustertal und war zuvor im „La Perla“ für das Marketing verantwortlich. Als ihm Michil Costa den Direktorenposten anbot, hat er nicht lange überlegen müssen. „Es war ein Sprung ins kalte Wasser, aber nach einem Jahr mit wenig Schlaf läuft es jetzt gut.“
Sein Küchenchef, der dreißigjährige Matteo Antoniello, folgte ihm wenig später aus dem „La Perla“. Er stammt ursprünglich aus Kampanien, aus Salerno. Und so lag es natürlich auf der Hand, dass auf der Speisekarte der "Posta Marcucci", neben toskanischen Gerichten, auch Spezialitäten aus Matteos Heimat stehen - Parmigiana di Melanzana con Ricotta Salata, Spagetti alla Vongole, Polpo oder der berühmte Rumkuchen Baba alla Napolitana.
Die traditionelle „Cucina povera“ der Toskana, die Küche der armen Leute, hat hier im Val dÒrcia einen besonderen Stellenwert. Sie wird von Matteo nur etwas verfeinert. Ein Highlight ist sein „Pappa al Pomodore“. Dieser Tomatenbrei besteht aus Wasser, Weißbrot, Olivenöl, Tomaten, Knoblauch und Basilikum. Ein Genuss auch seine „Pici trafilati in Casa“, dicke von Hand gerollte Nudeln. Zur Jagdsaison, im Spätherbst, gibt es sie mit Wildschwein-Ragu oder, wer sie fleischlos mag, mit Pecorino Käse und einer cremigen Pfeffersauce.
Die meisten Produkte findet Matteo in der Nachbarschaft - „Fatto a mano“, von Hand hergestellt. Das Olivenöl kommt zum Beispiel von der kleinen Ölmühle Fregoli in Pienza, das Fleisch von der renommierten Metzgerei Bottega delle Carni aus San Quirico, das Mehl für die Pasta von der Mulino Val d`Orcia und der Pecorino Käse aus dem nahegelegenen Pienza, der Geburtsstadt Papst Pius II. Pienza ist die Hochburg der Pecorini-Herstellung. Die Milch der Schafe, die auf den kargen Hügeln in der Umgebung von Pienza weiden, gilt als besonders gut. Ganz junge Pecorinos kommen nach zwei bis vier Wochen auf den Tisch, alte Pecorinos reifen sechs Monate oder länger.
Der kleine Ort Montalcino, 17 Kilometer weiter westlich von Pienza gelegen, hat sich hingegen dem Wein verschrieben. Der Ort ist untrennbar mit dem Brunello verbunden - einer der renommiertesten Rotweine Italiens. Neun Millionen Flaschen werden jedes Jahr abgefüllt, die Hälfte davon geht in den Export. Ältere Jahrgänge von Biondi-Santi (Il Greppo Kellerei) sind Juwelen der internationalen Weinszene. Der Biondi-Santi Reserve 1955 zum Beispiel gehört laut Wine Spectator neben einem Chateau Margaux 1900, einem Chateau Petrus 1961 oder einem Penfolds Grange Hermitage 1955 zu den besten Weinen der Welt.
Wie der Brunello wird auch der Rosso di Montalcino aus 100 Prozent Sangiovese Grosso-Trauben gewonnen. Er ist der kleine Bruder des berühmten Brunello, ein sogenannter Zweitwein. Er wird aus den B-Lagen der Weinberge gewonnen. Die Nähe zum Anbaugebiet des Brunello und auch zum kleinen Ort Montepulciano, wo der Vino Nobile seine Heimat hat, schlägt sich natürlich in der Weinkarte der „Posta Marcucci“ nieder. Aus über 40 verschiedenen Brunellos kann der Gast wählen. GOURMET GLOBE hatte das Vergnügen einen Riserva 2010 von der Villa Poggio Salvi zu verkosten. Ein grandioser Wein, der vom „Wine Spectator“ mit 94 Punkten bedacht wurde. Rubinrot, mit granatfarbenen Reflexen. Noten von Wildkräutern, dunkler Kirsche, roter Johannisbeere. Im Abgang weich.
Der Schöpfer Italiens hat sich mit dem Val d`Orcia viel Zeit gelassen. Er schuf ein Paradies auf Erden - vor allem für Gourmets.
Posta Marcucci
Via Ara Urcea, 43
53027 Bagno Vignoni SI
Text: Thomas Fischer-Fabian