Friaul im Herbst: Oca, Castagne e Vino

Weinanbau im Friaul
Foto: @ Fabrice Gallina 2020

Ein altes Sprichwort im Friaul-Julisch Venetien lautet: „Oca, Castagne e Vino, tieni tutto per San Martino“. Gans, Kastanien und Wein, hebe es dir für Sankt Martin auf. Und wenn am 11. November das Schlachten der Gänse beginnt, schenkt man auch den „Vino Novello“, den neuen Wein, aus. Dazu werden dann geröstete Esskastanien, gefüllte Teigtaschen und Schinken oder Käse aus den Bergen des Montasio-Massivs serviert. Viele Weingüter bitten zu dieser Zeit zu Tisch. ‚San Martino in Cantina‘, heißt der Event. Neben Weinverkostungen können Mittags- oder Abendmenus zusammen mit den Winzern gebucht werden.

Unbestritten gehört die die nordöstlichste Region Italiens zu den besten Weißweinregionen Europas. Aus dem Collio und dem Colli Orientali, einer Hügellandschaft süd- bzw. nordöstlich von Udine, stammen die besten DOC`s . 26 Weißweine wurden vom Gambero Rosso 2023 mit 3 Gläsern geadelt.  Absolute Spitzenklasse in Italien.

Zu verdanken ist das Top-Winzern wie Silvio Jermann, Livio Felluga, Roberto Scubla oder Ferruccio Sgubin, um nur einige zu nennen. Ihre Pinot Grigios, Sauvignon Blancs, Chardonnays sind wahre Perlen. Seit Ende der 70 Jahre hat sich das Friaul langsam aber stetig zu einem der innovativsten Weinanbaugebieten Europas entwickelt. Die autochthonen Rebsorten, werden intensiv gepflegt - Friulano, Ribolla Gialla, Malvasia oder Picolit oder der rote Pignolo, Refosco oder Schioppettino.  

Die Picolit-Traube wurde lange Zeit, wegen ihres geringen Ertrags, vernachlässigt. Die kleinen Beeren werden spät geerntet und zu einem edlen Süßwein gekeltert. Der Duft erinnert an reife Pfirsiche, Honigwaben und Wiesenblumen. Der Geschmack ist fein, süßlich und lang anhaltend. Er wird gerne zu Gänseleber und Süßspeisen getrunken.  

Auf der Picolit-Traube gründete sich auch der Erfolg der Familie Nonino. Sie waren die ersten in Italien, die 1973 einen Grappa aus nur einer Rebsorte brannten. Für Traditionalisten damals ein absoluter Faux Pax. Der „Nonino Picolit Grappa“ gehört heute immer noch zu den Spitzenprodukten des Hauses.  Die Nonino-Familie ist inzwischen in der fünften Generation in der Brennereibranche tätig.

„Friuli - Via dei Sapori“ (Friaul - Die Straße der Genüsse) heißt ein Buch des Weinexperten, Journalisten und Buchautors Walter Filiputti aus Percoto bei Udine. Nicht ohne Grund! Denn seine Heimat hat neben den großartigen Weinen auch zahlreiche alpenländische und mediterrane Köstlichkeiten zu bieten. Den ‚Prosciutto di San Daniele‘ zum Beispiel, den König der Schinken. Er reift hier seit Jahrhunderten am Fuße der Südalpen. Oder den „Prosciutto di Sauris“. Eine Delikatesse aus dem kleinen Bergdorf Sauris in den Karnischen Alpen. Er wird über Buchenholz kurz geräuchert und 18 Monate lang an der frischen Bergluft veredelt.

Einen hohen Rang in der Küche nimmt die Polenta ein. Es ist das Nationalgericht im Friaul. Die Grundzutat, der Mais, stammt vorrangig aus der Gegend um Mortegliano, südlich von Udine. Der beste seiner Art. Die Körner werden noch von Hand verlesen und unter großen Mühlensteinen bei 70 bis 90 Umdrehungen langsam vermahlen. Vorsichtig geschätzt soll es im Friaul an die 500 Polentagerichte geben. Unzählige Ingredienzien wurden im Laufe der Jahrhunderte mit dem Maisbrei kombiniert. Salsiccia, Eier, Gemüse, Kartoffeln, Pilze aber auch Fisch und Meeresfrüchte. Eine beliebte Kombination im Friaul ist Polenta mit geriebenem Montasio-Käse.

Eine Delikatesse ist auch der rote Zwergradicchio aus der Stadt Görz an der slowenischen Grenze. Der edelste Radicchio Italiens wird wegen seines Aussehens auch „Görzer Rose“ genannt. Er wird gerne in heißer Butter geschwenkt und mit fein geschnittenen frischen Äpfeln und Kren gegessen. 

Rezepte aus der Habsburgerzeit, die Region gehörte fast sechs Jahrhunderte zu Österreich, findet man vor allem in Triest und Umgebung. Gulaschgerichte, das Costoletta Viennese, das Wiener Schnitzel, den Prager Schinken und natürlich zahlreiche Süßspeisen: Sachertorte, Linzertorte, Krapfen oder Strudel.

Friaul-Julisch Venetien ist eine kulinarische Schatzkammer mit fantastischen Weißweinen und Gerichten. Eine Region, die ihre Authentizität bewahrt hat und die es definitiv zu entdecken gilt.

Text: Thomas Fischer-Fabian